Wednesday, November 4, 2015

Schaffen wir das?

DW: Wie mit dem Flüchtlingsstrom umgehen, die deutsche Politik streitet weiter, was sind das für Zeichen, die da im Moment gesetzt werden? 

AW: Ja, wir debattieren, wir streiten, wir haben verschiedene Meinungen. In der Gesellschaft und in den Parteien. So ist es in einer Demokratie. 
Und es handelt sich ja hier auch um keine kleine Sache, immerhin die grösste Flüchlingswelle seit Flüchtlingszahlen offiziell registriert werden. 
Das dies ohne Spannungen und harter Debatte einfach so durch geht, davon kann man nicht ausgehen.

Aber die Kanzlerin hat die Richtung vorgegeben, vertritt diese in Deutschland und in Europa und wirbt dafür. Und sie hat ja zumindest in Deutschland eine ihr per Amt zugesprochene Richtlinienkompetenz. Und diese nutzt sie nun, und das ist ein Zeichen, das wahrgenommen wird, trotz Pediga, und Streit in der CSU.

DW: Wie auch immer sich die Koalition am Donnerstag einigen wird, sind die diskutierten Vorschläge aus ihrer Sicht geeignet, um mit dieser enormen Herausforderung fertig zu werden? 

AW: Wer kann schon behaupten, er hätte die Lösung für alle Aspekte der Flüchtlingskrise. Wir tasten uns hier alle vor. 

Wichtig ist, dass wir Lösung finden, die mit unseren Grundwerten vereinbar sind, also das Recht auf politisches Asyl, die Werte einer offenen Gesellschaft, Solidarität, Respekt. 

Innerhalb dieser Parameter müssen wir Lösungen finden, die den verfolgten Menschen eine Perspektive geben aber unsere Gesellschaften dabei nicht zerreissen lassen. Dafür gibt es keine einfachen Lösungen von der Stange.

DW: Merkel hat erneut betont, wie wichtig eine europäische Zusammenarbeit bei dem Thema ist, wird sie bei den EU-Partnern gehört? 

AW: Frau Merkel hat absolut Recht. Aber es wäre noch besser gewesen, wenn sie dies schon vor zwei, drei Jahren so klar gesagt hätte, als die Flüchtlingskrise schon in Griechenland, Italien und in der Türkei angekommen war. Diese Länder haben schon viel länger mit dem Problem zu kämpfen. Und damals hätte Deutschland ja auch schon ein Quotensystem vorschlagen und mit gutem Beispiel vorangehen können. Man kann nicht erst nach Europa rufen, wenn man selbst betroffen ist. 

DW: Deutschland und Europa haben eine gewaltige Integrationsaufgabe vor sich - wie kann die bewältigt werden? 

AW: Es ist eine gewaltige Aufgabe, das stimmt. Aber wir haben schon Erfahrungen mit großen Migrationsströmen, positive wie negative. In Großbritannien, Frankreich, Niederlanden mit dem Migration aus deren zerfallenen Empiren, in Deutschland mit der Integration von Flüchtlingen aus dem ehemaligen Ostgebieten, aus der DDR, aus der ehemaligen Sowjetunion, aus Jugoslawien, und natürlich mit der Arbeitsmigration aus der Türkei. Wir haben es geschafft, wir haben gelernt, wie man es besser macht. Das sollten wir nutzen.

Und wir sollten die Chance der Migration betonen. Einstein war Flüchling, Steve Jobs Vater war Einwanderer aus Syrien, Sergey Brin war Flüchtling aus der Sowjetunion. Vielleicht flüchten die neuen Innovateure Europas gerade jetzt zu uns.

Aus Interview mit Deutscher Welle TV 3.11.2015

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