Sunday, October 28, 2012

It's about impact, stupid. Machen Stiftungen Politik und wenn ja, wie (viel)

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Es tut sich gerade viel im deutschen Stiftungswesen. Im Kern geht es darum, wie Stiftungen in der Gesellschaft Wirkung erzielen, damit sie ihre vorhandenen Ressourcen effektiv einsetzen können, welchen Einfluss sie dadurch auch auf die Politik haben und was sie dazu legitimiert. Das ist keine neue Diskussion. Neu ist aber, dass offen darüber gesprochen wird, wie politisch Stiftungen sein wollen, können und dürfen. Denn bisher galt eher: „Don’t mention the ‚P‘-Word“. Die jetzige Debatte ist gut, spannend und ergebnisoffen. Es gibt nicht die eine Wahrheit und wird sie sicher auch nicht geben. Aber die Debatte an sich schärft das Verständnis dafür, wie sich Stiftungen in ihrer jeweils eigenen Weise wirkungsvoll in gesellschaftliche Veränderungsprozesse einbringen können und was es dabei zu beachten gibt. Die folgenden sieben Gedanken sollen als Beitrag zu einer offenen Diskussion verstanden sein. 1. Was heißt es für eine Stiftung, politisch zu sein? Wenn man 10 private Stiftungen dazu fragt, ist es nicht ausgeschlossen, dass man 13 verschiedene Antworten bekommt. Zählt man die Auftritte von Politikern bei Stiftungen zusammen, kommt man leicht zu dem Schluss, dass Stiftungen schon sehr politisch agieren, zumindest ein politisch orientiertes Forum bieten. Aber ist der Auftritt mit einem prominenten Politiker gleich Ausdruck von politischem Handeln? Leider eher selten. Oft ist es mehr der Celebrity-Faktor – und der ist bei privaten Stiftungen doch sehr verbreitet. Für die weitere Debatte wird daher folgende Definition vorschlagen: Politisch zu agieren und dabei Themenanwaltschaft betreiben bedeutet für Stiftungen, sich auf Basis eigener Kompetenz und Praxiserfahrung öffentlich für gesellschaftspolitische Themen und Ziele einzusetzen, Position zu beziehen, für sie die notwendige Aufmerksamkeit zu schaffen und systematische Wirkung zu erzielen. Dies muss und sollte nicht verkürzt werden auf den Akteur Staat und Politik, sondern betrifft alle gesellschaftlichen Gruppen und Entscheidungsträger, die für ein Thema relevant sind. 2. It’s about impact, stupid Eine Kernfrage ist, welche Wirkung eine Stiftung erzielen kann und in welchem Verhältnis die gesellschaftliche Ambition der Stiftung im Vergleich zu ihren Ressourcen steht. Sobald die Ambition das eigene Fördervolumen signifikant überschreitet, muss man Hebel finden und / oder starke Partner aktivieren. Wenn man sich z.B. als Stiftung das Ziel einer signifikanten Reduzierung von Treibhausgasen setzt, wird dies auch die größte Stiftung nicht durch eigene Praxisprojekte schaffen. In die Politik hinein zu wirken ist ein Hebel, um gesellschaftliche Wirkung zu maximieren. Es ist nicht der einzige Hebel, aber ein effektiver – je nach Ziel, Partnern und Kontext. Die Antwort auf die Frage, wie politisch eine Stiftung ist, zeigt sich schon in der Themenauswahl und der Definition der Stiftungsziele. Setzt man sich ambitionierte Ziele zu großen gesellschaftlichen Herausforderungen und will diese systemisch und nachhaltig erreicht sehen, braucht es eine Strategie, die Wirkung durch und über das eigene Handeln hinaus erzielt. Dies setzt politisches Denken voraus und ein Verständnis dafür, wie eigene Ressourcen so eingesetzt werden können, dass sie das Mehrfache bewirken, gesellschaftliche Veränderungsprozesse einleiten und dann eben helfen, die gesetzten ambitionierten Ziele zu erreichen. 3. Es geht um den strategischen Mix Für gesellschaftliche Probleme in einem immer komplexeren Umfeld gibt es selten die eine Lösung oder den einen Weg. Es kommt auf den richtigen strategischen Mix von Denken, Handeln und Kommunizieren an. Ausgangspunkt sollte dabei immer die eigene Stiftungskompetenz aus Praxiserfahrung, wissenschaftliche Solidität und Authentizität sein. In der Kombination von praktischen Förderprojekten an Schulen im Ruhrgebiet, einer wissenschaftlichen Studie mit der OECD, Veranstaltungen zur gezielten Vernetzung von Praktikern, Experten und Politikern und zeitlich abgestimmter Medienarbeit können z.B. nachhaltig Wirkung in die Bildungspolitik der Länder erzielt und der Politik Möglichkeiten aufzeigt werden, insbesondere wenn dieser Mix strategisch durchdacht, koordiniert und ständig evaluiert wird. Beim Initiieren, Finanzieren und Orchestrieren eines wirkungsvollen Mixes haben Stiftungen gegenüber anderen zivilgesellschaftspolitischen Akteuren einen Vorteil. Sie haben die Freiheit, die Möglichkeit und die Flexibilität, die jeweils besten Instrumente so zu nutzen und miteinander zu kombinieren, dass sie die größte Wirkung haben. 4. Politische Kommunikation Kommunikation spielt eine immer wichtigere Rolle in unserer Gesellschaft und so auch in Stiftungen und der Politik. Digitale Medien haben Kommunikation exponentiell beschleunigt. Kommunikation ist ein essentielles Mittel im Werkzeugkasten von Stiftungen geworden. Meist handelt es sich aber um traditionelle „Corporate Communication“, mit dem Ziel, die eigene Stiftung zu positionieren. Markenbildung ist eine nicht zu unterschätzende Aktivität, denn eine starke Stiftungsmarke schafft Vertrauen, politischen Zugang und Medienzugang. Dies ist insbesondere für neue Akteure wichtig. Aber Selbstpromotion ist zu oft auch Selbstzweck in der Stiftungslandschaft. Neben strategischer Markenbildung ist zielunterstützende Kommunikation entscheidend, also Kommunikation, die direkt auf die Zielerreichung einzahlt. Natürlich sind auch Veranstaltungen ein wichtiges Instrument politischer Kommunikation, aber eben nicht das einzige. Stiftungen müssen aufpassen, dass sie vor lauter Stiftungsveranstaltungen nicht das eigentliche Ziel aus den Augen verlieren. Digitale und soziale Medien werden für Stiftungen immer relevanter, was auch die rege Beteiligung an der von der Stiftung Mercator, Körber-Stiftung und Stiftung Zukunft Berlin initiierten Stiftungs-AG ‚Stiftung 3.0‘ belegt, einer Plattform für den Erfahrungsaustausch zwischen Stiftungen zum Einsatz von digitalen Medien. Hier können Stiftungen noch Kommunikationstrends mitgestalten und für ihre Stiftungsarbeit aktiv nutzen. 5. Rolle von strategischen Partnerschaften Stiftungen sind vor allem auch Ermöglicher. Sie müssen, sollen und können nicht alles selber machen. Meist gibt es bereits etablierte Akteure, die man fördern und stärken und mit denen man gemeinsame strategische Partnerschaften eingehen kann. Dort, wo es diese nicht gibt, können Stiftungen auch neue Akteure schaffen, wie z.B. den von acht Stiftungen getragenen Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR). Ein interessanter Trend ist die wachsende Zahl von privaten Stiftungen, die gesellschaftspolitische Wirkung durch die Gründung und Förderung von Think Tanks erzielen wollen. So wichtig und gut dies ist, Think Tank-Förderung kann kein Ersatz für die eigene Stiftungsposition sein. 6. Personal und Capacity Building Um in diesen komplexen Zeiten politisch effektiv zu wirken, braucht es neben der Praxiserfahrung kompetente Mitarbeiter, die in größeren Zusammenhängen politisch denken und agieren können. Dies hat Auswirkungen auf die Personalrekrutierung und die interne Weiterbildung. Diesem Thema widmet sich seit einem Jahr die Reihe ‚Al Mercato-Neue Politische Kommunikation‘ des ProjektZentrums Berlin der Stiftung Mercator, die in regelmäßigen Abständen mit deutschen und internationalen Gästen verschiedene Fragen der politischen Kommunikation diskutiert, mit dem erklärten Ziel von Capacity Building. 7. Vor Ort sein Auch wenn man denken könnte, dass in Zeiten des Internets der Sitz keine Rolle mehr spielt, trifft dies in der Arbeit im politischen Raum nur bedingt zu. Es ist wichtig, am Ort der politischen Entscheidungen zu sein, relevante Akteure zu kennen und regelmäßig zu treffen, zu verstehen, wie und wann Entscheidungen getroffen werden. Das persönliche Gespräch ist immer noch eines der besten Mittel der politischen Kommunikation. Viele Stiftungen haben das erkannt und sind vor Ort in Berlin präsent, manche auch in Brüssel. Auch diese Entwicklung ist ein Hinweis darauf, dass Stiftungen zunehmend politisch agieren. Fazit: Die Antwort auf die Frage, wie politisch eine Stiftung ist, zeigt sich in der Themenauswahl und der Definition der Stiftungsziele. Setzt man sich ambitionierte Ziele zu großen gesellschaftlichen Herausforderungen und will diese systemisch und nachhaltig erreicht sehen, braucht es eine Strategie, die Wirkung durch und über das eigene Handeln hinaus erzielt. Dies setzt politisches Denken voraus. Beim Handeln haben Stiftungen die Freiheit, die Möglichkeit und die Flexibilität, die jeweils besten Instrumente so zu nutzen und miteinander zu kombinieren, dass sie die größte Wirkung haben. Ausgangspunkt sollte dabei immer die eigene Stiftungskompetenz aus Praxiserfahrung, wissenschaftliche Solidität und Authentizität sein. Politische Kommunikation, strategische Partnerschaften, Capacity Building und vor Ort sein, sind dabei entscheidende Faktoren für den Erfolg. Betrachtet man diese Kriterien, gibt es keinen Grund, das P-Word zu scheuen. Dies ist der Director's Cut des Artikels 'Don't mention the P-Word- Machen Stiftungen Politik und wenn ja, wie (viel), der in der Oktober Ausgabe von Stiftung&Sponsoring erschienen ist