Sunday, June 26, 2011

Ist Europa Schnee von gestern?

Die Türken haben Erdogan am 12. Juni 2011 mit einer komfortablen Mehrheit wiedergewählt. Gleichzeitig hat sich jedoch die wichtigste Oppositionspartei CHP gefangen und dazugewonnen, mit dem Resultat, dass Erdogans AKP die Zweidrittelmehrheit verpasst hat. Damit kann er nur im Dialog mit der Opposition sein nächstes wichtiges Ziel erreichen, eine neue Verfassung für die Türkei zu schreiben. Der Wahlausgang war für die meisten Beobachter nicht überraschend. Auch hat Erdogan schon vorher klar gesagt, was er im Fall des erwarteten Wahlsieges machen würde:eine grundsätzliche Verfassungsreform durchführen, die Nachbarschaftspolitik ausbauen, die wirtschaftliche Expansion forcieren, unterstützt durch den Ausbau der Sozialstruktur. Dies hat Erdogan in seiner vielbeachteten Balkonrede am Abend des Wahlsieges im AKP-Hauptquartier in seiner ihm eigenen, selbstbewussten Art vorgetragen.

Also, nichts Neues in der Türkei?

Die Antwort auf diese Frage hängt vom Betrachtungszeitraum ab. Nimmt man die letzten zwei Jahre, folgen die jetzigen Prioritäten der Türkei einer konsequenten roten Linie. Erweitert man den Betrachtungszeitraum, zum Beispiel auf zehn Jahre, gibt es zumindest in einem wichtigen Punkt viel Neues, nämlich im Verhältnis der Türkei zu Europa.

In der Balkonrede nach seinem ersten Wahlsieg 2002 war die Orientierung an Europa und das klare Ziel der EU-Mitgliedschaft das zentrale Thema. Um dies zu unterstreichen, besuchte Erdogan gleich nach der Wahl alle großen EU-Hauptstädte. In seiner Siegesrede im Jahr 2006 spielte Europa noch eine gewisse, wenn auch schon stark abgeschwächte Rolle. In seiner Balkonrede am 12. Juni 2011 kam die Europäische Union schließlich überhaupt nicht mehr vor.

Die Abstinenz Europas in Erdogans Balkonrede ist das wirklich Neue in der Türkei. Manche in Europa wird das freuen. Ich bin jedoch der Meinung, dass uns das sehr zu denken geben sollte - nicht nur wegen des bilateralen Verhältnisses zwischen der EU und der Türkei, sondern auch wegen der heutigen Stellung und Attraktivität Europas an sich.

Um diese neue Europa-Abstinenz in der Türkei zu verstehen, lohnt es sich, die Situation vor zehn Jahren mit der heutigen zu vergleichen.

Vor zehn Jahren war die EU selbstbewusst, optimistisch und auf dem Höhepunkt ihrer Entwicklung. Die Osterweiterung war in vollem Gange, der Euro wurde eingeführt, die EU gab sich die Lisbon Agenda, um damit die innovativste Wirtschaftkraft der Welt zu werden. Und ein Verfassungskonvent entwarf die erste europäische Verfassung nach amerikanischem Vorbild. Globale Politik funktionierte nicht ohne Absprachen mit Europa, es gab Leute, die ernsthaft meinten, Europa würde die Führungsmacht des 21. Jahrhunderts werden. Zeitgleich kämpfte die Türkei mit einer schweren Finanzkrise und hing am Tropf des Internationalen Währungsfonds, der dem Land ein straffes Reformprogramm diktierte. Ein großer Teil der Türkei war bettelarm, und Arbeitsmigration nach Europa war für viele Türken die einzige reale Möglichkeit, ihre Lebensbedingungen mittelfristig zu verbessern. Einen möglichen EU-Beitritt unterstützten 70 Prozent der türkischen Bevölkerung und verband damit vor allem wirtschaftlichen Wohlstand und politische Stabilität.

Zehn Jahre später scheint die Situation nun spiegelverkehrt.

Die EU ist inmitten einer Finanz-und Identitätskrise. Der EU-Verfassungsentwurf wurde in französischen und niederländischen Referenden abgeschossen. Übrig blieb der technokratische Lissabon-Vertrag, der aber die wichtige Frage der wirtschaftlichen und finanzpolitischen Regierungsführung ausließ. Dafür wurden zwei neue EU-Chefposten geschaffen und mit Leuten besetzt, die auch heute noch kaum jemand kennt. Außenpolitisch hat die EU viele Chancen vertan, wie sich beim Klimagipfel in Kopenhagen und kürzlich beim Arabischen Frühling zeigte. Die Finanzkrise 2008 traf die EU härter als anfangs gedacht und legte die systemischen Schwächen des Euro offen. Seit 2009 ist die EU in einem permanenten Krisenmanagement gefangen und gezwungen, ihre Finanz-und Eurokrise mit co-finanzierten IWF-Krediten und Auflagen zu bekämpfen. An Lissabon-Agenda und Vertrag möchte keiner mehr gerne erinnert werden. Und Lissabon selbst hat sowieso gerade andere Probleme.
Weiter südlich hatte die Türkei demgegenüber eine außerordentlich gute Dekade. Die Wirtschaftleistung vervierfachte sich und die Türkei erfreut sich stabiler politischer Rahmenbedingungen. Sie hat sich zu einem respektierten außenpolitischen Akteur entwickelt, unterstützt von einer eigenen, blühenden Softpower bei den Nachbarn. Bis tief in das anatolische Hinterland sprüht die Türkei vor Selbstbewusstsein und Optimismus. Und nur knapp die Hälfte der Bevölkerung könnte sich jetzt noch einen Beitritt zur EU vorstellen.

Im Zehnjahresrückblick ist die Europa-Abstinenz in Erdogans Balkonrede also leicht nachzuvollziehen.

Aber es muss nicht bei diesem Trend bleiben. Europa wird sich letztendlich aus der Euro-Krise befreien, seine Strukturen und Personalien neu ordnen. Europa kann und wird die Energie-Revolution nutzen, um seine Führungsrolle bei innovativen, wissenschaftsintensiven Industrien auszubauen. Europas Softpower bleibt stark als Raum der Demokratie, der Menschenrechte, der starken sozialen Netzwerke und der kreativen Entfaltung.
Die Türkei wird sich weiter dynamisch entwickeln, wobei eine Überhitzung mit möglichen wirtschaftlichen Rückschlägen nicht ausgeschlossen ist. Ob die Türkei ihre wichtige politische Stabilität und ihre Reformdynamik behält, wird auch davon abhängen, ob Erdogan seine autoritären Tendenzen zügeln kann.

Eine weiter stabile und prosperierende Türkei und eine sich erholende EU sollten die Basis für eine erneute Annäherung sein - Heirat nicht ausgeschlossen.

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Eine gekürzte Version ist am 22. Juni 2011 in The European unter dem Titel 'Die deutsch-türkische Freundschaft - Heirat nicht ausgeschlossen' erschienen.

Wednesday, May 25, 2011

Der nächste IWF Chef sollte ein Europäer aus einem Schwellenland sein

2011 ist voller Ereignisse und Krisen, die Politikern permanent schnelle Entscheidungen abringen. Seit ein paar Tagen geht es um die vorzeitige Nachfolge von Dominique Strauss-Kahn als Chef des Internationalen Währungsfonds, die eigentlich erst in ein paar Monaten anstand. Jetzt gilt es, schnell zu handeln, und dabei zeigt sich wieder einmal, dass die Europäer es einfach nicht schaffen, von alten, überholten Vorrechten zu lassen und geopolitisch zukunftsfähig zu handeln.

Zumindest scheint Europa in dieser Sache relativ schnell eine gemeinsame Position gefunden zu haben: Komme, was wolle, es muss jemand aus der Europäischen Union sein. Auch Frankreich ist wieder ganz vorn im Rennen. Aber ist es die richtige gemeinsame Position? Und werden zurzeit nicht die besten Finanzköpfe in der EU gerade jetzt und hier zur Meisterung der Eurokrise gebraucht? Die gegenwärtige französische Finanzmintserin Christine Lagarde ist zweifelslos eine gute Kandidatin für den IWF-Chefposten, aber ihr Einsatz ist jetzt in Paris und Brüssel dringend notwendig.

Leider hat auch die deutsche Politik bisher hier eine Möglichkeit verpasst, neue Akzente zu setzen und politische Berechenbarkeit zu beweisen hatte Angela Merkel doch noch im April 2009 erklärt, dass der nächste IWF-Chef nicht mehr nach überholten Denkmustern des 20. Jahrhunderts ausgewählt werden würde, sondern nur auf Grundlage von Offenheit, Transparenz und Eignung. Wurden diese drei Kriterien in den letzten Tagen angewendet?

Dabei ist die Wahl des nächsten IWF-Chefs eine Möglichkeit für Deutschland und Europa, außenpolitisch zu zeigen, dass es wirklich im 21. Jahrhundert angekommen ist, dass es gemeinsam und auch über die Grenzen der Europäischen Union hinaus denken kann und zugleich geopolitisch clever handelt.

All dies hätte erreicht werden können, indem Angela Merkel einen Europäer aus dem boomenden Schwellenland Türkei empfohken hätte, dessen Mutter auch noch aus Berlin stammt. Merkels Wunschkandidat für den IWF-Chefposten sollte Kemal Dervis heißen.
Dabei ist das Signal, das Merkel mit einem solchen Vorschlag gesendet hätte, fast noch wichtiger als das Ergebnis am Ende. Immerhin haben diesmal Länder wie Indien, Mexiko, Südafrika ihre eigenen starken Kandidaten ins Rennen geschickt und es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Schwellenländer sich diesmal auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen. Und dann müssen noch die 187 Mitglieder des Internationalen Währungsfonds zustimmen.

Die Unterstützung einer Kandidatur von Kemal Dervis zum IWF-Direktor durch Angela Merkel hätte mindestens vier wichtige Signale beinhaltet:

1. Angela Merkel ist international eine verlässliche Politikerin, die tut, was sie sagt. Sie steht zu ihrem Wort vom April 2009, dass für internationale Top Jobs die am besten Geeigneten in einem offenen und transparenten Verfahren ausgewählt werden sollen. Gleichzeitig würde sie mit der Empfehlung einer Kandidatur von Dervis ihren Aussagen vom Montag nicht widersprechen, dass der IWF-Posten an einen Europäer gehen muss.

2. Gerade auch zur Bewältigung der Eurokrise brauchen wir auf dem IWF-Posten höchste Kompetenz plus Erfahrung im Krisenmanagement. Kemal Dervis ist einer der Besten. Er hat Ökonomie in London studiert und in Princton promoviert, er hatjahrzehntelange internationale Finanzerfahrung wie kaum ein anderer, er war lange bei der Weltbank und er war Chef der weltweit größten Entwicklungsorganisation UNDP. Als Krisenmanager hat er sich insbesondere während der türkischen Finanzkrise 2001/02 als Finanzminister einen Ruf gemacht. Für viele ist er seitdem der Architekt des türkischen Wirtschaftswunders, sozusagen der Ludwig Erhard der Türkei. In seiner jetzigen Funktion als Vizepräsident der Brookings Institution wird Dervis schon jetzt von Griechenland und Spanien zu Rate gezogen, um mit den dortigen Entscheidungsträgern und Akademikern die gegenwärtigen finanz- und wirtschaftspolitischen Herausforderungen zu analysieren und praktische Schritte vorzuschlagen. Dervis ist ein Weltbürger, spricht hervorragend Französisch, Deutsch, Englisch und natürlich Türkisch und ist bestens in der globalen Politik vernetzt. Auch dies ist nicht unwichtig, wenn man die Unterstützung von Regierungschefs wie Obama, Sarkozy, Merkel und Erdogan braucht. Durch seine jetzige Arbeit mit der griechischen Regierung kann er auf offene Ohren in Athen zählen, auch das ein nicht zu unterschätzendes Plus.

3. Die Unterstützung eines türkischen Kandidaten durch Angela Merkel und die Europäische Union für den derzeit wichtigsten internationalen Posten würde den deutsch/europäisch-türkischen Beziehungen eine wünschenswerte und längst überfällige neue Dynamik verleihen, gerade wenn Merkel Dervis als Europäer aus einem Schwellenland präsentiert. Das Signal wäre klar: Die Türkei gehört zu Europa, unabhängig von den laufenden Verhandlungen über einen möglichen EU-Beitritt. Die Wirkung wäre sowohl in der Türkei als auch in Europa und in Deutschland zu spüren.

4. Angela Merkel könnte mit diesem Vorschlag der europäischen Diskussion um dieses Thema eine positive Note geben. Gerade jetzt wäre ein kluger Beitrag aus Deutschland im Europadiskurs wünschenswert. Und dieser Beitrag würde zeigen, den Deutschen geht es um die Sache. Angela Merkel sollte sich jetzt inhaltlich darauf konzentrieren, einen klugen europäischen Konsens in dieser Frage zu erreichen.

Aber auch unabhängig von taktischen Gesichtspunkten ist Kemal Dervis sicher einer der besten Kandidaten für den IWF-Chefsessel. Und einen der besten braucht Europa gerade jetzt als Partner in der Eurokrise. Und wäre es nicht wunderbar, wenn gerade ein Türke mit einer Mutter aus Berlin Europa aus einer seiner tiefsten Krisen helfen würde?

P.S. Dies ist eine editierte Version meines Artikels, der in der Süddeutsche Zeitung als Aussenansicht am 21.5. erschienen ist.

Kemal Dervis hat sich in der Zwischenzeit freiwillig aus dem Rennen um den IMF Posten zurückgezogen. Aber unabhängig von Kemal's eigener Entscheidung, die Message des Artikels bleibt bestehen:
• die EU soll sich nicht an überholten Vorrechten festhalten,
• gerade jetzt brauchen wir den besten Kopf für diesen z.Z. wichtigsten internationalen Job und da ist es zweitrangig wo dieser herkommt.
• wenn die EU geopolitisch clever denkt, kann sie mit einer Unterstützung eines Kandidaten aus einem Schwellenlandes viel politisch Kapital gewinnen. Umgedreht, wird die EU mit dem erneuten rabiaten Durchsetzen eines eigenen EU Kandidaten viel Porzellan zerschlagen
• Hätte die EU sich gleich für Dervis stark gemacht, unabhängig von seiner eigenen Entscheidung jetzt, hätte man viel Gutes für die deutsch/europäisch-türkischen Beziehungen tun und diesen eine neue Dynamik geben können.

Und vielleicht kann ihn ja Angela Merkel überzeugen, wenn sie ihm anbieten kann, dass sich die ganze EU hinter ihn stellt. Nichts ist unmöglich.

Andre Wilkens

Wednesday, January 5, 2011

Dealing with the Euromess: Let’s not lose sight of the big picture now

Paul Krugman's essay 'Dealing with the Euromess' in the IHT of 14 January 2011 is the best piece yet on the Eurocrisis and what it means. It is deep analysis, wonderful storytelling, gives concrete scenarios and ends with a clear call for forther European integration, for Europe and the World's sake. It seems that it needs an American Nobel Winner to make those points. Let's hope it has the necessary impact.
Below is my modest contribution which comes to the same conclusion as Krugman.

Europe is in crisis, probably in the biggest crisis since 1945. What we do not need is a German solution which destroys the basis for European integration. A divided Europe with a strong Germany has not lead to much good in the past.

European unification brought more prosperity to all of Europe, to the Germans, but also Portuguese, the Irish, the Slovaks. Europe’s history after 1945 is a wonderful story and a creative achievement of which we Europeans can be proud of. But in its 6th decade Europe’s internal and external attractiveness is weakend.

Internally, Europe is emotionally drained after a decade of institutional reform and massive enlargement. Then came the financial and Euro crises. And now we realize that despite years of process optimization (which lead to the Lisbon treaty) we did not built the necessary structures to underpin the Euro. Now we need to carry out difficult reforms of the EU financial governance in the midst of an economic crisis. This is both an enormous challenge but may just turn out to be the kick Europe needs to move on.

Externally, thus far Europe was described as an economic giant and a political dwarf. The Euro Crisis has also changed this. The economic giant is tumbling. And a tumbling giant is losing its hard and soft power in a rapidly changing world. I could virtually feel this during recent meetings in Beijing and Ankara where the current Europe was compared to Latin America in the 1990th and further negotiations were postpone until ‘you Europeans have sorted yourself out.

We had European crises before and mastered them. Then, Germany was an essential part of the solution, a broker for which German interests where part of a wider European interest. Now Germany has to invest further in this role. Just as Angela Merkel did in 2007 when she brokered a deal to get the EU out of the institutional deadlock.

But this time Germany’s role in Europe is disputed. Of course, Merkel’s insistence on budgetary discipline is principally right. But her hesitation to find a quick solution to the Greek debt crisis last year lead to massive speculation, hugely increased the costs of the bail-out and awakened nationalistic voices in Germany which seemed long forgotten. Also the Irish crisis Germany viewed simply as a financial matter. The way in which Germany handled the Euro crisis has damaged her ability to act as an honest broker in Europe. Who wants a German Europe? Not me, and I believe, neither does Ms. Merkel.

What should be done? There are two ways out of this crisis: the market fundamentalist solution, i.e. the break-up of the Euro resulting in a gradual roll back of European integration. Or the brave political step forward towards a real economic and financial Union, starting with the quick introduction of Euro Bonds as an immediate signs to the financial markets that this is going to happen.

Now we need confident political leaders who get the big picture and provide their technical (finance) expert with a clear political frame for a solution which define German interest within a broader European interest. That’s what Helmut Schmidt and Helmut Kohl did successfully in their times. Leading Europe out of the current crisis could be Merkel's lasting legacy.

Thursday, October 7, 2010

La réunification a influencé le destin de l’Europe

Brême et Berlin ont célébré le vingtième anniversaire de la réunification dans
la retenue. Aujourd’hui, 84% des Allemands approuvent cette «accélération
de l’Histoire» voulue par Helmut Kohl. Andre Wilkens explique comment cela
a changé l’Allemagne et l’Europe

Dimanche, l’Allemagne fêtait les 20 ans de sa réunification. Une réunification approuvée par 84% des Allemands, selon un sondage publié par la télévision ZDF. A Brême, le président Christian Wulff en a profité pour évoquer les nouveaux défis, en particulier celui de l’immigration musulmane: «Bien sûr, la chrétienté fait partie de l’Allemagne, bien sûr le judaïsme fait partie de
’Allemagne. Il s’agit là de notre culture judéo-chrétienne. Mais à présent l’Islam fait également partie de l’Allemagne». Une seconde cérémonie était organisée en soirée à Berlin avec la chancelière Angela Merckel (qui a déclaré à la presse que la réunification a bouleversé sa vie: «soudain je pouvais faire toutes sortes de choses qu’auparavant je ne pouvais imaginer») et l’ex-chancelier qui présida à la réunification, Helmut Kohl. Au moment de la chute du mur de Berlin, Andre Wilkens avait 26 ans. Né en ex-Allemagne de l’Est, il dirige actuellement le Centre pour les Affaires internationales de la fondation Mercator. Ex-directeur de l’Institut Open Society de Bruxelles, une fondation de George Soros, il jette un regard nuancé sur l’Allemagne réunifiée et ses conséquences pour l’Europe.

Le Temps: Le ministre-président du Brandenbourg, Matthias Platzeck, compare la réunification
allemande à un «Anschluss». Le vocable n’est-il pas l’illustration d’une amertume persistante au sein de la partie orientale de l’Allemagne?
Andre Wilkens: Juridiquement, Platzeck a raison. L’Allemagne de l’Est a été annexée en vertu de l’article 23 de la Loi fondamentale de la République fédérale d’Allemagne. Tout était déjà en place pour 17 millions de citoyens est-allemands: le système social ouest-allemand était une évidence. Ce fut une offre publique d’achat non pas hostile, mais amicale. J’aurais souhaité qu’on consacre plus de temps à imaginer la nouvelle Allemagne en rédigeant une nouvelle Constitution qui rende compte du processus de réunification de deux entités différentes. On a finalement repris la Loi fondamentale de RFA de 1949. Il y avait de bonnes raisons d’aller très vite. En 1990, le chancelier Helmut Kohl a jugé nécessaire de profiter d’une fenêtre d’opportunité pour réaliser rapidement l’unité allemande. Moscou avait donné son accord et était prêt à retirer ses troupes du territoire est-allemand. Les alliés, malgré des réticences, donnèrent aussi leur accord. Deux ans plus tard, sans le climat émotionnel de 1989 et de nouvelles priorités internationales, une réunification aurait été beaucoup plus dure à réaliser.

– Certains avancent que la réunification a coûté quelque 1500 milliards d’euros. Comment évaluezvous la reconstruction de l’ex-RDA?
– Le processus n’est pas achevé. Les gens ont rapidement pu accéder à un certain confort matériel, s’acheter une voiture. Mais cette phase positive a été ternie par la perte d’un emploi. Les transferts financiers considérables en direction de l’ex-RDA en matière de retraites, de prestations sociales, ont été appréciés. Mais ils furent en grande partie improductifs. Ils le sont toujours. Les personnes âgées de plus de quarante ans en 1990 ont eu des difficultés d’adaptation. Je me demande si on n’aurait pas pu mener le processus différemment. Au plan économique, on a adopté le principe de la destruction créatrice. Le cours 1-1 (1 Deutchemark pour un Ostmark) adopté à l’époque était totalement irréaliste. Cela a littéralement cassé la RDA. La Pologne et la Tchécoslovaquie avaient privilégié une adaptation plus progressive à l’économie de marché et à la concurrence. En ex-RDA, psychologiquement, cette phase fut dure. Je dois pourtant admettre que ce processus de destruction et de reconstruction a permis à certaines régions de la partie orientale, comme la Thuringe ou Jena, de sauter certaines
étapes classiques du développement. Elles font aujourd’hui prospérer des entreprises par exemple dans les secteurs des nanotechnologies ou de l’énergie solaire. Soyons réalistes: ce processus s’est déroulé de façon pacifique. Il aurait pu déraper à tout moment.

– Les experts ont longtemps dit qu’il faudrait des décennies pour que les ex-Allemands de l’Est
changent de mentalité.
– Tout le monde a dû évoluer. Les Allemands de l’Est l’ont fait du jour au lendemain. J’ai dû soudain contracter une assurance maladie et payer des impôts. Tout cela a été très brutal. Les Allemands de l’Ouest n’ont pas été confrontés à de tels changements. Mais ils ont néanmoins aussi dû s’adapter à la mondialisation. Aujourd’hui, le problème d’adaptation reste une question générationnelle et géographique.

– La réunification, c’est aussi le transfert de la capitale de Bonn à Berlin. Un symbole fort?
– Cette décision fut très importante. Il n’était pas seulement question de faire d’une ville qui fut déjà une capitale dans l’histoire la capitale de l’Allemagne réunifiée. Ce fut aussi une manière de réunifier les deux parties de Berlin et surtout d’opérer une ouverture du pays vers l’Est. Un fait déterminant dans l’optique de la reconstruction de l’ex-RDA. Le changement a eu un impact politique. De ville provinciale (Bonn), la capitale allemande est devenue une grande ville (Berlin). Cela a altéré la politique allemande qui est devenue moins provinciale. Même au niveau international.

– Un sondage montre que 79% des Polonais pensent que la réunification allemande a profité à
l’Europe. On est loin du scepticisme britannique, français et polonais des années 1990…
– Je m’en réjouis. A l’époque, le scepticisme était compréhensible et il a incité l’Allemagne à agir avec prudence. Helmut Kohl a toujours inscrit la réunification allemande dans le cadre de la réunification de l’Europe. Il n’était pas question de créer une Europe allemande, mais une Allemagne européenne. Réunifiée, l’Allemagne a exercé une influence très positive sur le continent en provoquant de grands chamboulements à l’est, l’extension de l’Union européenne à l’est et l’intégration économique par la création de l’euro. Il y a pourtant des signaux qui m’inquiètent.

– Lesquels?
– Comme l’Allemagne est politiquement stable, économiquement prospère et qu’elle joue à nouveau un rôle sur la scène internationale, une minorité d’Allemands se dit que l’Europe n’est plus si importante. On l’a vu lors de la crise grecque. Il est donc essentiel que les partenaires européens continuent de mettre les Allemands devant leurs responsabilités européennes.

– La réunification a-t-elle modifié les relations franco-allemandes?
– L’Europe était au centre des préoccupations de Helmut Kohl et François Mitterrand. Ils ont tous deux accompagné la réunification. Aujourd’hui, les relations entre Berlin et Paris sont au plus bas, pour des raisons personnelles avant tout. Mais l’Europe a aussi changé. La Pologne est devenue un membre important de l’UE. Une Europe à 27, formée de petits pays, ne peut plus être tributaire du seul moteur franco-allemand.

LeTemps.ch «La réunification a influencé le destin de l’Europe»
Par Stéphane Bussard, lundi 4 octobre 2010

Friday, May 28, 2010

The Great Transformation

The Great Transformation, Greening the Economy, Berlin 28/29 June 2010

Welcome words, Andre Wilkens


Welcome on behalf of Stiftung Mercator, one of the Co-Organisers of this meeting.


We are happy to team up with Böll Stiftung and Centre for American Progress for this important gathering of such a distinguished group of speakers and participants from Europe, the US and China.


We see this meeting in the tradition and as a natural evaluation of the Great Transformation conference in Essen one year ago. The Essen meeting put the term ‘Great Transformation’ into the political debate. The focus was cultural and behavioral change. Because this great transformation cannot happen just through technological advancement, as many would like to believe. Human behavior need to change.


Why another conference on Great Transformation? Because, if a great transformation could be started by one conference, it would probably not be a great transformation.


And, today this topic is probably even more relevant as a year ago, as climate skeptics get organized in trying to portrait Climate Change as hysterics. These people are the ones who want to keep business as usual. Clearly, if you have invested in oil, gas and coal, business as usual seems the best business model, especially in times of growing resource scarcity and prices.


We believe the world cannot continue with the ‘business as usual scenario. We deserve and urgently need a new business model.


Climate Change is one factor which demand a new business model, resource scarcity and competition is another one. The cuurent financial and economic crisis is a third factor. And the need for growth through innovation is a 4th key factor. Carbon based growth is not the growth model which will get us out of this crisis. There are signs that China has understood this. Prof. Pan Juan will tell us more about it later ion this conference.


Climate Change was put on the policy agenda by activists and scientists. Based on scientific evidence and common sense they painted a horror scenario for what will happen if we do not act. This created the political will for action, in principle. Copenhagen confirmed the political will, but only in principle, not in concrete targets.


We now need to make the case that economic and behavioral change will not only avoid a disaster but that it is beneficial in any case, economically, culturally and even mentally.


This is the forward looking message we expect from this conference, supported by concrete ways to facilitate this great transformation.


I hope that future generations will look back at this conference as one of the important catalyst for this Great Transformation.


With these high expectations, I wish us all a productive two days.


Thursday, April 8, 2010

Three reasons for new economic thinking

I believe we are at a turning point in the way we value, measure, plan and teach economic development. There are three reasons for this:


1. The global financial crisis has signaled us that our current economic system operates at a dangerous edge. In 2008 the world had an economic heart attack. Reinvigoration measures have worked, the patient is alive and on the way of recovery. But now it is time to understand the underlying reasons for the heart attack and how to avoid future, possibly deadly, heart attacks from recurring. A doctor would advise to evaluate one’s life style to avoid future attacks. This is what we need to do now rather than jumping back into the economic rat race. Otherwise the global economy may share the fate of the middle aged manager who has not understood the message of his first heart attack.


2. Climate change is a result of human economic activity. Some say that it is a symptom for the unsustainability of our current economic system. I agree. But we have to deal with climate change urgently, politically, technologically and through changing behaviors. The sheer dimension of the change needed will change our economic system. Only by adapting our economic system will we be able to successfully mitigate the impact of climate change.


3. The rise of China: A one2one translation of the Western economic system in China will lead to unpredictable political, environmental, social and cultural results. Because of resource scarcity, pollution, internal migration and climate change, the rise of China may become a crisis factor for China and the world.


That is why we need to rethink the basis, the theories, the teaching and the practices of our current economic thinking. This is not just an academic debate. This is a fundamental issue with relevance for our future well being. It needs to affect the way we understand economic well being, the way we measure it, the way we understand incentives and the way we teach.


It is not about central economic engineering. This has failed quite visibly in the Soviet Union, and I have myself experienced it. But we have to understand and mitigate the dangerous effects of our system.


The creation of the Institute for New Economic Thinking is a way of starting this conversation.




Andre Wilkens, welcome words at the Inaugural Conference of the Institute for New Economic Thinking 'The Economic Crisis and the Crisis of Economics', Kings College Cambridge, 8 April 2010

Sunday, January 24, 2010

Thoughts before travelling to China again

I am sitting in Kopenhagen Airport waiting for my flight to Beijing. I have 4 hours wait, have read the newspapers, gone through my notes and found the report from my last visit to China 4 months ago.

It's a rather enthusiastic and positive report. I admit I was rather impressed. I wonder whether this is the same with all people on their first trip to China.

Now 4 months on, after the Chinese obstruction of the Copenhagen Climate Summit, the 11 year prison sentence for writer Liu Xiaobo, the announcement of further rearmement and the actual cold weather in Beijing, I wonder what I will experience this time.

More here after my trip. Below a summary of my thoughts after my September trip (in German).

Besonders beindruckt hat mich die proaktive Diskussion zum Thema Klimawandel und neue Energien. In China hat sich in den letzten zwei Jahren ein entscheidender neuer Ansatz in der Klimadiskussion durchgesetzt. China sieht die Klimadiskussion nicht durch das Spektrum der „Weltrettung“ sondern als strategische ökonomische Entwicklungsentscheidung. Wie Estland in den 90er Jahren die Vorreiterrolle zu e-Governance übernommen hat, möchte China die Vorreiterrolle im Bereich Green Economy übernehmen und sieht dies als sein Entwicklungs- und Identifikationsprojekt der Zukunft. „Grün“ ist der Wachstumsfaktor der Zukunft und China braucht Wachstum um seine internen Spannungen im Griff zu behalten. Gleichzeitig wird China mit dieser Strategie zu einem wichtigen und positiven, internationalen Akteur.

Die Diskussion um eine „Grüne Revolution“ ist nicht neu (siehe z.B. Friedman ‚Hot, flat and crowded‘ aber auch das Wahlprogramm der Grünen) aber in China spürt man, dass diese Grüne (Wirtschaft) Revolution tatsächlich umgesetzt werden kann. China bringt die Masse und Entscheidungsgeschwindigkeit.


Paradoxerweise kann China mit seinem autoritären politischen und wirtschaftlichen Regime zum Weltenretter werden. Oder anders, China wird zur Hoffnung der Welt nicht weil es mehr demokratisch wird, sondern weil es sich dem Demokratie- und Liberalisierungstrend entgegengestemmt hat.

Sicher klafft da noch eine riesige Lücke zwischen der Vision einer Grünen Wende und den mit Volldampf arbeitenden Kohlekraftwerken, aber China ist bekannt dem Denken auch recht schnell Handeln folgen zu lassen.

Für den Klimagipfel in Kopenhagen (07.-18. Dezember 2009) erwarten chinesische Insider keinen Durchbruch sondern eine allgemeine Vereinbarung eines politischen Rahmens für ein Globales Klimaschutz-Abkommen. Obwohl auch das für China nicht ideal, möchte China ein positives Signal aus Kopenhagen, insbesondere für die Sicherheit von internationalen und nationalen Investitionsentscheidungen in neue Energien.

Interessant war auch die recht präsente Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte, den eigenen Werten und dem Westen. Im Kontext der gegenwärtigen Krise wird die Angemessenheit des westlichen wachstumsorientierten Wirtschaftsmodells in Bezug auf das chinesische System offen diskutiert. Ministerpräsident Wen Jiabao sprach von der Notwendigkeit zu einem nachhaltigen Wirtschaftsystem zu finden.